In dem Kommunalverfassungsstreit gegen den Gemeinderat und den OB, der im Mai 2018 durch die alte Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben wurde, geht es um angebliche Informationsversäumnisse im Zuge der Aufhebung des Geschäftsführervertrags bei den Stadtwerken Aalen GmbH (Gemeinderatsbeschluss vom 14.12.2017).
Nach Auffassung der großen Mehrheit des Gemeinderats (rd. 75 %) war jedes Ratsmitglied ausreichend unterrichtet und besaß für die Beratung und Beschlussfassung am 14.12.2017 angemessene Informationen. Die Rechtsaufsicht, das Regierungspräsidium Stuttgart, hat Anfang April 2018 nach eingehender Prüfung die Rechtmäßigkeit des Informationsverfahrens bestätigt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, Prof. Dr. Alfred Katz, kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Gemeinderat bei dem breit diskutierten, besonders sensiblen nichtöffentlichen Beratungsgegenstand auch zum Schutz und auf nachdrücklichen Wunsch berechtigter Interessen Dritter am 14.12.2017 sachgerecht und rechtlich korrekt unterrichtet wurde. Entscheidend ist allein, ob bei einer Gesamtbetrachtung und –würdigung ein Ratsmitglied sich hinreichend auf die Sitzung vorbereiten und eine vorläufige Meinung bilden kann. Dies lag nach einhelliger Meinung bei den Klägern vor.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat am Freitag, 19. Juni 2020, den Organstreit mündlich verhandelt. Die vier Klageanträge der Kläger wurden ausführlich durchgesprochen. Das Gericht ließ erkennen, dass es überwiegend die Anträge nicht für zulässig/begründet hält, aber auch „fehlende Unterlagen“ von Seiten der Stadt beanstandet. Vom Kammervorsitzenden wurde dann – was zu erwarten war - ein Vergleichsvorschlag gemacht, der inhaltlich lautet: „Der Beklagte Ziff. 1 (OB) räumt ein, dass den Anforderungen des § 34 Abs. 1 S. 1 GemO („erforderlichen Unterlagen beizufügen“) bei TOP 1 der Gemeinderatssitzung vom 14.12.2017 nicht in vollem Umfange entsprochen wurde.“ Nach einer Verhandlungsunterbrechung, in der Prof. Dr. Katz mit OB Rentschler telefonisch Rücksprache gehalten hat, wurde der Vergleichsvorschlag akzeptiert. OB Rentschler hat nach Abwägung des Pro und Contra „schweren Herzens“ auch des kommunalen „Klimas“ wegen dem Vorschlag zugestimmt. Die Klägerseite hat dann – was sich schon in ihrer ersten Reaktion abzeichnete – den Vorschlag unverständlicherweise abgelehnt (federführend von Herrn Fleischer). Prof. Katz hat nochmals versucht, die Kläger doch noch für eine Zustimmung zu gewinnen, aber leider ohne Erfolg.
Das Gericht hat heute den Urteilstenor an die Kläger und Beklagten mitgeteilt. Darin ist im Wesentlichen der am vergangenen Freitag gemachte Vergleichsvorschlag wiedergegeben. Durch das Nichtbeifügen von Verhandlungsunterlagen zu TOP 1 der nichtöffentlichen Gemeinderatssitzung am 14.12.2017 ist danach § 34 Abs. 1 S. 1 GemO verletzt worden (Klageantrag 2). Drei von vier Klageanträgen wurden vollumfänglich vom Gericht abgewiesen. Dies kommt auch ganz klar in der Gerichtskostenentscheidung zum Ausdruck. Danach müssen die Kläger rd. drei Viertel der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten tragen. Die Urteilsbegründung, die für das weitere Verfahren entscheidend ist, wird allerdings noch einige Zeit auf sich warten lassen. Erst danach kann der Urteilstenor von heute abschließend bewertet werden. Dabei wird eine wichtige Rolle spielen, wie in dem Urteil „erforderliche Unterlagen beifügen“ definiert/interpretiert wird, ob damit die kommunale Praxis leben und die berechtigten Interessen betroffener Dritter geschützt werden können.
Leider konnte der Rechtsstrei t trotz mehrerer Versuche, zuletzt Mitte/Ende Mai 2020 und jetzt am vergangenen Freitag, nicht kommunalpolitisch gelöst werden. Im Hinblick auf den weit zurückliegenden Streitgegenstand, die Neuwahl des Gemeinderats in 2019 und die aktuell coronabedingten herausfordernden und zu bewältigenden Kommunalaufgaben, aber auch die dafür dringend gebotene demokratische Fairness und Vertraulichkeit sowie den gegenseitigen Respekt vor dem kommunalen Ehrenamt und der städtischen Verwaltung, wäre dies zum Wohl und Ansehen der Stadt und ihrer Einwohner angemessen gewesen, erklärt Professor Dr. Alfred Katz, Rechtsanwalt und 24 Jahre Bürgermeister der Stadt Ulm als Vertreter des beklagten OB und Gemeinderats.