Am vergangenen Sonntag, 18. November 2018, fand nach dem Hauptgottesdienst die Gedenkfeier zum Volkstrauertag unter zahlreicher Beteiligung der Bevölkerung statt. Die Fahnenabordnungen der örtlichen Vereine hatten sich am Kriegerdenkmal versammelt, ebenso der Liederkranz Unterkochen sowie der Musikverein Unterkochen, beide Vereine umrahmten die Gedenkfeier musikalisch. Jonas Lechner, Schüler der Kocherburgschule, trug ein Gedicht vor.
In ihrer Gedenkrede erinnerte Ortsvorsteherin Heidemarie Matzik daran, dass der diesjährige Volkstrauertag fast zeitgleich mit dem Datum des Endes des ersten Weltkrieges vor 100 Jahren stattfindet. 17 Millionen Menschen ließen auf den Schlachtfeldern zwischen 1914 und 1918 ihr Leben. Gut 20 Jahre später begann der Wahnsinn des zweiten Weltkriegs. Die Opfer, die dieses Weltbeben verursachte, waren um ein Vierfaches höher. Auch heute verlieren zahlreiche Menschen in den heutzutage geführten Kriegen weltweit Tag für Tag ihr Leben, im direkten Kriegsgeschehen, an den Folgen von Hunger und Krankheit. Sie kann erahnen, wie sie sich fühlen würde, wenn die Meldung käme, dass ihr Mann und der Vater ihrer Kinder nicht mehr nach Hause kommen würde und sie ab jetzt alleine für das Leben und Überleben der Familie zuständig wäre. Ihr heute 95-jähriger Vater wurde mit 18 Jahren in den Kriegsdienst eingezogen. 3 Jahre verbrachte er an der Ostfront, weitere fürchterliche 4 Jahre in der Kriegsgefangenschaft. Schilderungen von Zeitzeugen aus beiden Weltkriegen erzählen von dem Nichtvorhandensein allen menschlichen Mitgefühls, von dem Fallen aller Grenzen des Zusammenlebens von Menschen, von der unbeschreiblichen Brutalität des Krieges. Es gibt die Geschichten der Frauen auf der Flucht, von den Kriegsereignissen überrollt, Mütter mit ihren Kindern, Großeltern mit ihren Enkeln. Welchen unvorstellbaren Situationen waren sie ausgesetzt. Vertrieben, deportiert und Freiwild zwischen den Fronten. Über 70 Jahre Frieden in Europa haben die Wunden vielleicht verheilen lassen und die Erinnerung ist vielleicht etwas verblasst. Vielleicht!
Auseinandersetzungen, die zu Kriegen geführt haben und heute noch dazu führen, beginnen nicht, weil ein Volk plötzlich ein anderes Volk hasst. Es sind die Vorstellungen in den Köpfen Einzelner, denen es gelingt, mit bewusst verkürzten und verfälschenden Aussagen und mit unverhohlener Polemik eine Masse an Menschen hinter sich zu bringen. Dann beginnt ein Phänomen, das trotz der heutigen aufgeklärten und gut gebildeten Gesellschaft - erschreckenderweise - auch wieder funktioniert: Hass wird geschürt, Grenzen menschlichen Handelns werden überschritten; Dinge, die in ihrer Jugend tabu waren, rücken wieder in den Bereich des Möglichen. Dabei will doch jeder hier auf diese Erde geborene Mensch, egal in welchem Land, auf welchem Kontinent, einfach nur in Frieden leben! Es gibt keine Rechtfertigung für einen Krieg!
Die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland beschreibt in ihrem Text, dass Einigkeit und Recht und Freiheit das Unterpfand des Glückes seien. Und dann auch noch, dass im Glanze dieses Glückes das Heimatland/Vaterland erglühen werde. Einigkeit können wir erlangen, wenn wir einander zuhören, an den notwendigen Themen arbeiten und darauf achten, dass die sozialen Unterschiede in der Bevölkerung nicht zu groß werden, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter aufgeht. Das Recht muss für Alle in gleicher Weise gelten – dafür haben wir unsere Gesetze und unsere Verfassung. Wir Menschen sind mit einem lernenden Verstand ausgestattet. Wir sind frei, jede unserer Entscheidungen selbst zu treffen. Aber meine Freiheit darf nicht zu Lasten meiner Mitmenschen gehen. Auch meine Freiheit hat seine Grenzen, da, wo sie die Freiheit meines Mitmenschen beeinträchtigt! Der Text unserer Nationalhymne zeigt uns, wie ein friedvolles Zusammenleben in einer Gemeinschaft gut gelingen kann. Die vielen Jahre des Friedens in Europa zeigen, dass dies gelingen kann und bisher auch gelungen ist. Ein Engagement für ein Europa, das zusammensteht, muss von uns allen getragen werden. Das bedarf Überzeugung, ist harte Arbeit, das ist es wohl. Aber: Was könnte uns in unserem Denken und Handeln dazu bewegen, dass wir die sichtbaren, erlebten Fehler aus der Vergangenheit wiederholen wollten? Wir stehen heute wieder im Gedenken an all diese sinnlos vergeudeten Menschenleben hier am Kriegerdenkmal in Unterkochen. Unsere Trauer und unser öffentliches Gedenken bringen keinen der Gefallenen zurück! Aber es kann – und muss - verhindern, dass die nächste Generation wiederum Gefallene beklagen muss.
Als der Musikverein Unterkochen das Musikstück „Ich hatt‘ einen Kameraden" spielte, legte Ortsvorsteherin Heidemarie Matzik zusammen mit ihren Stellvertretern Ulrich Starz und Florian Stütz einen Kranz, der Vorsitzende der VdK-Ortsgruppe Bruno Tamm eine Schale am Kriegerdenkmal nieder.
(Text: Kerstin Renner)