„Der Schubart-Literaturpreis 2021 der Stadt Aalen geht an Monika Helfer“, gab Oberbürgermeister Thilo Rentschler am 29. Januar im Namen der Jury bekannt.
Die Schriftstellerin erhält den mit 20.000 Euro dotierten Literaturpreis für ihren im Hanser- Verlag erschienenen Roman „Die Bagage“.
Mit dem Schubart-Förderpreis von Kreissparkasse Ostalb und Stadt Aalen wird Verena Güntner ausgezeichnet. Die in Ulm geborene Schriftstellerin und Schauspielerin erhält den mit 7.500 Euro dotierten Preis für den Roman „Power“. Das Buch ist bei Dumont erschienen. Die Preise sollen am 24. Juli 2021 im Kulturbahnhof (KUBAA) überreicht werden. Am Sonntagvormittag, 25. Juli, lesen die beiden Preisträgerinnen aus ihren Werken.
„Ich danke allen Jurymitgliedern für die hervorragende Wahl“, sagte OB Rentschler. Er freue sich mit der Jury diese literarische Auszeichnung, eine der ältesten in Baden-Württemberg, im Namen des Gemeinderats verleihen zu dürfen.
Der Jury gehören die Literaturkritikerin und Publizistin Verena Auffermann, die Kulturjournalistin des rbb, Anne-Dore Krohn, der Literaturkritiker und Übersetzer Denis Scheck, Köln, Dr. Stefan Kister, Kulturredakteur der Stuttgarter Zeitung, der Stuttgarter Kulturwissenschaftler Dr. Michael Kienzle und aus Aalen Oberstudiendirektor Michael Weiler an. Anne-Dore Krohn wird die Laudatio auf Monika Helfer halten, Verena Auffermann wird beim Festakt die Förderpreisträgerin Verena Güntner würdigen.
Monika Helfer nimmt es in ihrem Buch „ Die Bagage“ mit ihrer eigenen Familiengeschichte auf und schreibt über Wahrheit und Lüge und das ganze Durcheinander der Erinnerung. Sie erzählt von ihrer Mutter, deren Vater nicht mit ihr sprach, weil sie vielleicht ein Kuckuckskind war, und von ihren Großeltern, die in einem Bergdorf in Österreich lebten, arm aber froh - bis der Erste Weltkrieg kam. „Klug und geschickt geht Monika Helfer mit den Leerstellen um, die sie nicht verschweigt, sondern mit fiktionalen Möglichkeiten füllt“, lobt die Jury. „Wo fängt die Phantasie an, wie viel kann man rekonstruieren und wie lange muss man überhaupt warten, bis man über die eigene „Bagage“ schreibt? Eine dicht gewobene Autofiktion im besten Sinne, die dazu anregt, über die eigene Bagage nachzudenken – denn jeder hat eine, ob er will oder nicht“.
Monika Helfer wurde 1947 in Au im Bregenzerwald geboren und lebt in Hohenems in Vorarlberg. Sie hat viele Romane, Erzählungen und Kinderbücher veröffentlicht und u.a. das Robert-Musil-Stipendium und den Österreichischen Würdigungspreis für Literatur erhalten. Ende Januar 2021 erscheint Helfers Roman „Vati“, in dem sie sich in Fortsetzung von „Die Bagage“ mit der Vaterfigur auseinandersetzt.
Überzeugt hat die Jury auch Verena Güntners Roman „Power“, ein modernes und vieldeutiges Märchen. Hauptfigur ist Kerze, ein elfjähriges Mädchen, das einer alten Frau helfen möchte, „Power“, den vermissten Schoßhund, wiederzufinden. Kerze ist überzeugt, dass der Hund nur wiedergefunden werden kann, wenn sie selbst und die Kinder, die sich ihr anschließen, zu wilden Tieren werden. „ Eindringlich und radikal schildert Verena Güntner die Unterwerfung der Kinder unter eine Idee. Ein zeitloses Buch von archaischer Kraft“, schreibt die Jury.
Verena Güntner ist Schriftstellerin und Schauspielerin. 1978 in Ulm geboren, lebt sie heute in Berlin. Ihr Romandebüt „Es bringen“ (2014) wurde für die Bühne adaptiert und mit dem deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet. Güntner erhielt u.a. den Kelag-Preis beim Bachmann-Wettbewerb und das Berliner Senatsstipendium.
Die Stadt Aalen verleiht den Schubart-Literaturpreis seit 1956 in zweijährigem Turnus. Ausgezeichnet werden herausragende literarische Leistungen in der Tradition des freiheitlichen und aufklärerischen Denkens von Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 – 1791). Der Literat, Journalist und Komponist verbrachte seine Jugendjahre in der damaligen Reichsstadt Aalen. Sein Lebenswerk war die Herausgabe der Deutschen Chronik, einer zweimal wöchentlich erscheinenden Zeitung voller literarischer, kultureller und tagespolitischer Berichte.
Daniel Kehlmann (2019), Saša Stanišić (2017); Katja Petrowskaja (2015); Jenny Erpenbeck (2013); Peter Schneider (2009); Friedrich Christian Delius (2007), Uwe Timm (2003), Robert Gernhardt (2001), Alice Schwarzer (1997), Ralph Giordano (1995) und Peter Härtling (1974).
Seit mehreren Jahren ist der Festakt zur Preisverleihung in ein literarisches Rahmenprogramm eingebettet. Das jährliche Programm fasst unter dem Titel „wortgewaltig“ Lesungen, Veranstaltungen, Ausstellungen und Diskussionen zusammen und stellt zeitgenössische Kultur in den Kontext zu Schubarts literarischem und journalistischem Wirken.
Sofern es die Corona-Auflagen zulassen, laden Stadt und Kooperationspartner auch in diesem Jahr zu „wortgewaltigen“ Veranstaltungen ein.
Geplant sind bis zur Preisverleihung im Juli 15 Veranstaltungen. Der Tübinger Medienwissenschaftler Prof. Bernhard Pörksen eröffnet am 1. März 2021 die Reihe mit einen Vortrag über Fakt & Fake. Die ARD-Hörfunk-Korrespondentin Karin Senz berichtet von ihrer Arbeit in der Türkei, Iran, Griechenland und Zypern.
Endlich wieder Spaß zu haben, in den Spiegel zu schauen, dafür plädiert der wortgewaltige Mainzer Kabarettist Lars Reichow mit seinem Programm „Ich“.
„The Voice“ Christian Brückner liest, das Elbtonal Percussion Ensemble begleitet den Klassiker der Weltliteratur „Moby Dick“. Und auch der 2019 ausgezeichnete Roman von Daniel Kehlmann „Tyll“ kommt als Theaterstück auf die Bühne. Prof. Hermann Bausinger und Landtagspräsidentin Muhterem Aras befassen sich in ihrem Gespräch mit dem schillernden Begriff Heimat. Ausstellungen, Filme und ein lyrischer Spaziergang ergänzen die Reihe.
Weitere Informationen:
www.aalen.de/wortgewaltig
Zur Schubart-Preisverleihung 2019 an Daniel Kehlmann ist eine umfangreiche Dokumentation erschienen, die auf www.aalen.de/Schubart-Literaturpreis zum Download zur Verfügung steht.