875 Jahre Unterkochen - Teil 2 -
Neues aus der Ortsgeschichte
„Aller Anfang ist schwer“
Hans Zick, der erste Papiermacher in Unterkochen
Bei den Stichworten Papierherstellung und Unterkochen denkt man meist an die beiden großen Industriebetriebe im Ort, die seit über 100 Jahren Papiere unterschiedlichster Art produzieren. Nur den wenigsten dürfte bekannt sein, dass sie in zeitgemäßer Form eine Tradition fortführen, die im Spätsommer 1613 ihren Anfang nahm. Am 23. August dieses Jahres ließ der Ellwanger Fürstprobst Johann Christoph von Westerstetten bekannt machen, dass er „ein Papier-Mühlin zu Unterkochen gnädig habe auferbauen lassen“. Nachdem die fürstpröbstliche Kanzlei ihr Papier über Jahrzehnte aus der herzoglich-württembergischen Papiermühle zu Heidenheim oder von den Messen in Nördlingen und Nürnberg bezogen hatte, wollte man im eigenen Territorium eine Papierproduktion aufbauen, um die hohen Transportkosten und Zölle zu sparen.
Der aus Kempten stammende Papiermacher Hans Zick hatte offensichtlich über seinen Schwager, den Ellwanger Schulmeister Georg Sundermann, von dem Vorhaben erfahren und die Mühle am Kocher samt Wohnhaus und Garten als Lehen übernommen. Wie sich bald herausstellte wollte sich der Papiermacher jedoch ausschließlich auf die Herstellung konzentrieren. Mit dem Verkauf der Ware hatte er nichts im Sinn. Aus Mangel an Bewerbern und wohl zu einem großen Teil auch aus Furcht, den jungen Betrieb in die Hände eines fremden Verlegers zu geben, entschied der Fürstprobst, dass der Amtsschreiber von Unterkochen, Ulrich Dietmann, den Papierverkauf übernehmen sollte.
Im Januar 1614 schloss dieser mit Hans Zick ein Abkommen, das die weitere Vorgehensweise regelte. An erster Stelle musste sich Zick verpflichten, gute Qualität zu liefern. Er sollte es nicht an „stampfen, leimen und anderem“ fehlen lassen oder gar „schwarze und untaugliche Lumpen“ unter das gute Schreibpapier mischen. Dass durchaus daran gedacht war, Teile der Produktion auch an Abnehmer außerhalb der Fürstprobstei zu liefern, belegt der zweite Punkt des Vertrags. So sollte anfangs der Verkaufspreis nicht zu hoch angesetzt werden, da Papierqualität und das Produktionszeichen von Zick in der Region noch weitgehend unbekannt waren. Als neuer Mitbewerber auf dem regionalen Papiermarkt wollte man eventuelle Nachteile für Produktion und Verlag soweit wie möglich vermeiden. Der Papiermacher Zick selbst musste sich verpflichten, ohne Vorwissen seines Verlegers kein Papier zu verkaufen. Dies galt auch für die „Lumpen und anderen Materialien zum Papiermachen“. Mit dem kostbaren Rohstoff konnte also Zick nicht schalten und walten wie er wollte.
Amtsschreiber Dietmann erhielt für den verkauften Ballen „besten Schreibpapiers“, das 9 Gulden kostete, 1 Gulden als Verdienst. Das sogenannte kleine Schreibpapier war bereits für 7 Gulden zu haben, entsprechend geringer fiel mit 40 Kreutzern der Anteil des Verlegers aus. Die Vereinbarung sah außerdem vor, dass Dietmann nur auf ein Jahr, Papiermacher Zick jedoch mindestens zwei Jahre, an die Regelung gebunden sein sollte. Außerdem hatte er eine Kaution von 200 Gulden zu hinterlegen. Nachdem er über das Geld nicht verfügte, streckte ihm sein Schwiegervater, besagter Schulmeister Sundermann aus Ellwangen, den Betrag vor.
Als die fürstpröbstliche Kanzlei zwei Jahre später den jährlichen Zins, der aus der Mühle gereicht werden sollte auf 240 Gulden erhöhte, protestierte Zick mit dem Argument, dass ihm immer das Wasser von dem flussaufwärts gelegenen Eisenschmieden oder durch die Wässerung der Wiesen vorenthalten würde. Kurzum: Er könne den Betrag nicht aufbringen. Obwohl man sich in den Amtsstuben der Kocherburg absolut sicher war, den Papiermüller auf diesen Umstand hingewiesen zu haben, wollte man seine Klagen zunächst nicht akzeptieren. Nach einigem Hin und Her entschied der Fürstprobst den „kleinen Nachteil“ des sporadischen Wassermangels anzuerkennen und es bei einem Betrag von 200 Gulden zu belassen.
Unter diesen Bedingungen war Hans Zick für eine zweite Bestandszeit bereit. Von einem wirtschaftlichen und ertragreichen Betrieb der Papiermühle konnte allerdings immer noch keine Rede sein. Hans Zick mühte sich redlich und verließ im Sommer 1628 Unterkochen, um in Wittislingen bei Eichstätt eine andere Papiermühle zu übernehmen. Sein Nachfolger Georg Ernst ahnte 1628 noch nicht, dass auch er um das Kocherwasser kämpfen musste, um sein Handwerk zu betreiben.
Dr. Roland Schurig
© Stadt Aalen, 02.05.2011