Die Erwin-Rommel-Straße und der umstrittene Namensgeber beschäftigen die Stadt Aalen seit Jahrzehnten. Im Folgenden erfahren Sie, wie es zur Benennung kam, wie die Diskussion 2019/2020 geführt wurde und wie die Stadt zukünftig mit Rommel umgehen möchte.
Wie kam es zur Benennung der Erwin-Rommel-Straße in Aalen?
Traumabewältigung und Integration: Zehn Jahre nach dem mörderischen Zweiten Weltkrieg galt es nicht nur, Trost für die Aalener zu spenden, die ihre Väter, Töchter und Brüder im Krieg verloren hatten. Eine Mammutaufgabe war zudem die Integration tausender Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten. Zwischen 1939 und 1955 verdoppelte sich die Bevölkerungszahl der Stadt Aalen.
Wohnraum fanden die Neubürger auch im Wohnquartier Hüttfeld, in dessen Mitte die Stadt 1954 einen Mahnmalturm errichtete. Sein Glockenläuten erinnert die Bevölkerung bis heute an die Toten und mahnt zum Frieden. Allerdings wurde im Totengedenken eine Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld und Verantwortung für den Krieg vermieden. Die Aalener waren unausgesprochen bemüht, die Wunden in der Stadtgesellschaft zwischen ehemaligen NS-Anhängern und NS-Gegnern nicht wieder aufzureißen.
Dieses stillschweigende „Ausklammern“ zeigte sich auch bei der Benennung der Straßen westlich der Schillerhöhe. Im Verlauf des Jahres 1955 verewigte der Gemeinderat sowohl die erklärten NS-Gegner Karl Mikeler, Friedrich Schwarz und Eugen Bolz im Straßenbild als auch Erwin Rommel, der als Militär lange von Hitler begeistert war. Wichtiger als die NS-Vergangenheit schien den Stadträten dabei die Einhaltung des politischen Proporzes. Bei der Ehrung berühmter Persönlichkeiten mit Aalener Bezug sollten die Sozialdemokraten (Mikeler), die Konservativen (Schwarz, Bolz) sowie die Rechtskonservativen (Rommel) gleichermaßen berücksichtigt werden.
Wie wurde die Diskussion rund um die Erwin-Rommel-Straße geführt?
Spätestens seit den 1980er Jahren sahen es auch mehr und mehr Aalener kritisch, Rommel mit einer Straße zu ehren. Hauptkritikpunkte waren dabei seine Beteiligung am Angriffskrieg Hitlers sowie seine persönliche Nähe zum Diktator. Am 1. September 2019 führte eine Rede von DGB-Kreischef Josef Mischko dazu, dass sich auch die städtischen Gremien mit dem Thema beschäftigten. Mischko hatte anlässlich des 80. Jahrestags des Kriegsbeginns des Zweiten Weltkriegs kritisiert, "es passe nicht zusammen, die NS-Opfer durch Stolpersteine zu würdigen und eine Straße nach einem Kriegsverbrecher der Nazis benannt zu lassen" (Aalener Nachrichten vom 2.9.2019).
Daraufhin beauftragte der Kultur-, Bildungs- und Finanzausschuss die Stadtverwaltung Aalen, die Bürgerschaft auf breiter Basis über die Person Erwin Rommel zu informieren. Am 6. November 2019 luden Geschichtsverein und Stadtarchiv zu einer Podiumsdiskussion mit Dr. Peter Lieb (Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr), Dr. Cornelia Hecht (Haus der Geschichte Baden Württemberg) und Matthias Pfeffer (Werkgymnasium Heidenheim) ein. Differenziert stellten die Experten Rommels Verantwortung als Militär und "Hitlers Lieblingsgeneral" sowie seine Beziehung zum militärischen Widerstand dar (Schwäbische Post vom 8.11.2019). Zuvor hatten bereits am 14. Oktober DGB, evangelische Kirche und die Initiative "Gegen das Vergessen" zum Abendvortrag von Dr. Wolfgang Proske eingeladen (Aalener Nachrichten vom 16.10.2019). Die Experten zeigten sich an vielen Punkten zwar nicht einig über die historische Bewertung Rommels. Überzeugt waren sie aber alle von der Wichtigkeit, die Wissenslücke rund um den Generalfeldmarschall in der Aalener Erinnerungskultur zu schließen.
Wie soll die Stadtgesellschaft zukünftig mit dem schwierigen Erbe umgehen?
Am 19. Februar 2020 beschloss der Gemeinderat, dass die Erwin-Rommel-Straße erhalten bleiben soll, um die Rolle des Generalfeldmarschalls als Täter und Opfer des NS-Regimes aufzuzeigen. Zugleich beauftragte der Gemeinderat das Stadtarchiv, Erinnerungsstelen an der Schillerhöhe (Friedrich-Schwarz-Straße Ecke Erwin-Rommel-Straße) zu installieren. Drei Stelen gedenken den NS-Gegnern und Straßennamensgebern Bolz, Mikeler und Schwarz (s.o.), eine Stele erinnert mahnend an die Person Erwin Rommel. Die Stelen sollen zu einem kritischen Umgang mit der Vergangenheit einladen und somit ein Beitrag sein für eine lebendige Erinnerungskultur - nicht nur im Stadtquartier Hüttfeld. Am 3. November 2020 nahm der Gemeinderat den Entwurf von Stadtarchiv und der Gmünder Firma freitagundhäussermann einstimmig an (Texte der Stelen: s.u.).
Zusätzlich zu den Stelen beauftragte der Gemeinderat das Stadtarchiv, das Thema auch für Schülerinnen und Schüler aufzubereiten. Hierfür entstand in Kooperation des Stadtarchivs mit Studiendirektor Matthias Pfeffer (Werkgymnasium Heidenheim) sowie mit freundlicher Unterstützung von Dr. Michael Hoffmann (Kompetenzzentrum für Geschichtliche Landeskunde im Unterricht) und Peter Weber (Arbeitskreis für Landeskunde/Landesgeschichte am Regierungspräsidium Stuttgart) eine Unterrichtseinheit. Die Unterrichtseinheit (s.u.), die sich an Schüler der Klassen 9-12 richtet, zeichnet die Diskussion um die Aalener Rommel-Straße nach und ermöglicht es Schülerinnen und Schülern, historische Urteile kritisch zu hinterfragen und eigene Meinungen zu bilden. Sie soll damit einen aktiven Beitrag zur Erinnerungskultur an die NS-Zeit bilden.
©Stadtarchiv Aalen (Dr. Georg Feuerbach)